Verschärfter Verweis wegen freier Meinungsäußerung

1. März 2015

Am 03. Februar erhielt ein Schüler der Graf-Stauffenberg-Wirtschaftsschule einen verschärften Verweis. Der 17-Jährige hatte zuvor eine Protestaktion gegen die Bundeswehr an seiner Schule besucht.

 

VerschärfterVerweis

Seit Jahren kommt ein Jugendoffizier der Bundeswehr an die „Blaue“ zu einem Berufswahlseminar. Nun demonstrierten im dritten Jahr verschiedene Jugendgruppen, die eine einseitige Darstellung der deutschen Außenpolitik ablehnen und nicht zulassen wollen, dass Minderjährige für den Dienst an der Waffe gewonnen werden.

 

Wenn Schülerinnen und Schüler sich für Politik interessieren, sollte das eine Schule eigentlich erfreuen. Schließlich will man sie ja zu mündigen Bürgern erziehen. Doch an diesem Abend lief das etwas anders. Ein 17-Jähriger, der in der Pause zwischen den beiden verpflichtenden Vorträgen die Protestkundgebung besuchte, wurde von den Hausmeistern nicht mehr in das Schulgebäude gelassen. Die Hausmeister wollten erst seinen Rucksack durchsuchen – sie vermuteten darin Infomaterialien unserer Kundgebung. Obwohl er den Rucksack schließlich bei dem Infostand ließ, durfte er das Schulgelände immer noch nicht betreten. Einer bestand darauf, dass er seinen Rucksack wiederholen sollte, ein Anderer wollte eine Leibesvisitation durchführen. Als erklärt wurde, dass es sich um eine Pflichtveranstaltung handele und Beobachter drohten die Polizei zu rufen, taten das die Hausmeister sofort selbst. Kurze Zeit später kam die Polizei, die allerdings weder jemanden verhaftete noch irgendwelche Verstöße feststellte.

 

Dieser musste sich dann am nächsten Tag noch vor Schulleiter, stellvertr. Schulleiter, Klassenlehrerin, Vertrauenslehrer und den Hausmeistern im Beisein seines Vaters rechtfertigen, die ihn aufforderten im nächsten Jahr nicht mehr an der Kundgebung teilzunehmen. In der darauf folgenden Woche erhielt er den Verweis. Der Schüler habe „durch Provokationen, seine Meinung derart beharrlich vertr[eten], dass ein Polizeieinsatz notwendig geworden ist.“ Abgesehen davon, dass das in keiner Weise den Tatsachen entspricht, bleibt zu fragen: In welchem Land leben Lehrer, die solche Verweise vergeben? Wie kann man seine Meinung derart beharrlich vertreten, dass ein Polizeieinsatz notwendig wird? Hätte der Jugendliche sich hier wirklich etwas zu Schulden kommen lassen, beispielsweise eine Straftat, hätte man ihm das hier sicher vorgeworfen.

 

Auch die anderen Vorwürfe, soweit es überhaupt welche sind, lassen sich schnell widerlegen. Dem Schüler wird unterstellt, er habe Aufkleber oder ähnliche Zeichen getragen oder angebracht. Dabei werden zwei vollkommen unterschiedliche Dinge miteinander vermischt. Das Tragen von „Abzeichen, Anstecknadeln, Plaketten, Aufkleber und ähnliche Zeichen“ kann durch den Schulleiter verboten werden, „wenn dadurch […] der Schulfriede, der geordnete Schulbetrieb, die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags, das Recht der persönlichen Ehre oder die Erziehung zur Toleranz gefährdet wird.“ (siehe §84 Abs. 3 BayEUG). Das Anbringen von Aufklebern ist zumindest, wenn sie beim Entfernen die Sache beschädigen (§303 Abs. 1 StGB) oder das Erscheinungsbild dauerhaft erheblich verändern (§303 Abs. 2 StGB), strafbar. Alle Vorwürfe diesbezüglich sind vollkommen frei erfunden. Wo sind die Zeugen und wo die Beweise dafür, dass der Jugendliche Aufkleber getragen oder angebracht hat?

 

Es ist auch unbegreiflich, wie ein „respektloses Verhalten“ im Zusammenhang mit einer „politischen, zweifelhaft linksorientierten Gesinnung“ aussehen soll. Die Schule sollte Beispiele für Äußerungen und Handlungen vorbringen, die eine Respektlosigkeit belegen, die es nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§86 Abs. 1) rechtfertigen, einen verschärften Verweis zu vergeben.

 

Worum es wirklich geht, wird erst zum Schluss des Dokumentes ausgesprochen: Der Schüler solle „zukünftig darauf achten, Äußerungen bezüglich seiner extremistischen politischen Meinung zu unterlassen.“ Sollte er sich daran halten, diskutiert „der Disziplinarausschuss der Schule eine Entlassung.“ Ein Besucher der Kundgebung äußerte sich im Nachhinein dazu: „Der Verweis ist offensichtlich politisch motiviert und verdient deswegen auch eine breite öffentliche Aufmerksamkeit. Es kann nicht sein, dass hier die Meinungsfreiheit dermaßen eingeschränkt wird. Alle Demokraten müssen jetzt Druck ausüben, damit der Verweis zurückgenommen wird.“

 

junge Welt, 23.02. https://www.jungewelt.de/2015/02-23/043.php

taz, 24.02. http://www.taz.de/Protest-gegen-Bundeswehr-Schulbesuche/!155262/

Der Neue Wiesentbote, 25.02. http://www.wiesentbote.de/2015/02/24/die-linke-bamberg-forchheim-erklaert-sich-solidarisch-mit- bamberger-schueler/

Fränkischer Tag, 26.02. https://www.infranken.de/regional/bamberg/Diskussion-um-Verweis-an-Bamberger- Schule;art212,966345

Bayrischer Rundfunk, 26.02. http://www.br.de/nachrichten/oberfranken/inhalt/bundeswehr-eklat-stauffenberg-schule-bamberg- 100.html

nordbayern.de, 27.02. http://www.nordbayern.de/region/bamberg/verweis-fur-17-jahrigen-keine-meinungsfreiheit-in-der-schule-1.4220342

Pressemitteilung der Schule, 27.02. https://www.stadt.bamberg.de/index.phtml?object=tx1829.52&ModID=7&FID=1829.8670.1&&sNavID=1829.376&mNavID=1829.376&La=

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