Stellungnahme „Verschärfter Verweis wegen linksorientierter Gesinnung“
2. März 2015
Im folgenden dokumentieren wir die Stellungnahme eines Schülers, der einen verschärften Verweis an der Graf-Stauffenberg-Wirtschaftsschule bekam, nachdem er eine Kundgebung verschiedener Gruppen, unter anderem der VVN-BdA Jugengruppe Bamberg, besucht hatte.
Außerdem können sie hier die Pressemitteilung der VVN Jugendgruppe Bamberg finden. Fotos von der Veranstaltung und den Verweis finden sie hier: https://app.box.com/s/tg4eiq3xz3ezfdzzp32bk8rnk99nuett Hierin sind auch Dokumente eines Leutnants enthalten, der die Vorgehensweisen der Schule ebenfalls für unangebracht hält und sich sogar beim Kultusministerium über die Schulleitung beschwert hat. Um den betroffenen Schüler zu schützen haben wir einen twitter-Account eingerichtet, der jedes Gespräch, jeden Einschüchterungsversuch und natürlich auch jede Publikation dokumentiert, bis der Verweis zurückgenommen wird. Wir wollen diesmal ausdrücklich betonen mit welchem Respekt wir unserem Freund begegnen, dafür, dass er sich trotz allen Gegenwindes weiter äußern will und so viel Courage zeigt, wie es sich die meisten anderen nicht trauen würden. Auch in unseren Reihen. ——————————————————
In letzter Zeit wurde viel über den Vorfall vom 29.01 an der Graf-Staufenberg-Wirtschaftsschule geschrieben, es gab viel Spekulation und viele Verdächtigungen. Anstatt mit der Schule zu sprechen, wurde über sie gesprochen, anstatt mit mir zu sprechen, wurde über mich gesprochen.
Es wurde behauptet, ich würde aus Angst vor Repressalien nicht mehr mit der Presse reden.
Dies stimmt nicht, ich habe mich nicht einschüchtern lassen und habe dies auch nicht vor.
Ich sprach nach den ersten Gesprächen mit der Schulleitung nicht mehr mit der Presse, da das so ausgemacht war. Es war Bestandteil der Verhandlungen mit der Schule.
Keine Seite sollte mehr mit der Presse sprechen,weder die Schule noch ich, so war der Deal.
Doch dieser wurde gebrochen, die Schule gab eine Stellungsnahme heraus.
Und als ich heute morgen die Zeitung aufschlug, musste ich dort sehr Befremdliches lesen.
In diesem Artikel wird aus der Schule ein Opfer und ich zum Täter gemacht.
Als ich dies las wurde mir übel.
Wie konnte meine Schule nur so unverschämt lügen?
Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich mich entschlossen habe, einen Brief zu verfassen.
Ich möchte für Klarheit sorgen, ich möchte die Spekulation beenden.
Doch vorab, möchte ich mich bei allen meinen Unterstützern bedanken.
Dennoch muss ich mich hier auch von Einigen distanzieren, die vorgeben, mir beistehen zu wollen. Diese berufen sich auf die Meinungsfreiheit, gestehen sie anderen aber nicht zu.
Sie sprechen in meinem Namen von Antimilitarismus und Frieden,
wollen den Direktor aber am liebsten mit einem Panzer überfahren.
Sie sprechen von Demokratie, lassen aber nur eine Meinung gelten.
Anstelle einer wirklich demokratischen Diskussion, ist eine Schlammschlacht getreten.
Mir geht es um Demokratie, Meinungsfreiheit und Frieden.
Und dafür stand ich auch am 29ten Januar ein.
Ich muss mich bei einigen betroffenen Personen entschuldigen, ebenso wie bei meiner Schule.
Es war nie meine Absicht, irgendwem zu schaden oder jemanden zu verletzen.
Ich versuchte den Anfängen zu wehren und ließ viele Artikel löschen oder nicht veröffentlichen,
musste aber erkennen, dass ich die Geister, die ich rief nicht mehr loswerden konnte.
Das ist mein Versuch, diese berechtigte Diskussion über Meinungsfreiheit oder den Sinn von Bundeswehr in Schulen wieder in die demokratische Bahnen zu lenken, die ich mir von Anfang an gewünscht habe.
Ebenso möchte ich mich von allen Beleidigungen, mit denen meine Schule und auch die Direktoren überhäuft wurden, distanzieren. Wie auch die „Blaue“ keine Nazi-Schule ist und generell jeder Vergleich mit dem Nationalsozialismus strikt abzulehnen ist, so versteht es sich auch von selbst, dass Morddrohungen jeder Vernunft entbehren und niemals in meinem Sinne sein können.
Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass mir ein verschärfter Verweis für kritisches Nachfragen und meine „zweifelhaft linksorientierten Gesinnung“ gegeben wurde und mir im Verweis angedroht wird, die Schule im Wiederholungsfall verlassen zu müssen. Es handelt sich folglich um keine disziplinare Maßnahme „unterster Stufe“, wie jetzt behauptet wird.
Dieser Verweis ist und bleibt eine Schande. Gerade deshalb sehe ich mich genötigt, diesen jetzt der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und dazu Stellung zu beziehen. Aus dem Verweis und der Pressemeldung der VVN-BdA Jugendgruppe Bamberg sollte die politische Motivation des Verweises hervorgehen.
Doch nun möchte ich mich zum Artikel des Fränkischen Tages vom 26. Februar äußern.
Im Artikel heißt es die Hausmeister „sollen gedacht haben, der Junge gehöre nicht der Schule an“.
Dies ist bestenfalls an den Haaren herbeigezogen, wenn nicht sogar eine dreiste Lüge.
Obwohl ich mit den Hausmeistern wie viele andere per du war, mit meinen Mitschülern ohne Probleme das Gebäude betreten konnte und sogar von einem Hausmeister beim beschriebenen Vorfall am Schultor gefragt wurde, ob ich nicht in der Klasse 10 x sei und ob nicht Lehrkraft … meine Klassenleitung sei, soll ich diesen unbekannt gewesen sein? Abgesehen davon, dass uns anscheinend nicht mal zugetraut wird, so ein „Missverständnis“ in wenigen Sätzen zu klären.
Selbst der FT-Artikel muss eingestehen, dass das Rufen der Polizei ungerechtfertigt war.
Allerdings mit der Begründung es sei „nichts geschehen“.
Obwohl selbstverständlich etwas geschehen ist.
Die Hausmeister wollten zunächst meinen Rucksack durchsuchen,
sie vermuteten darin Infomaterialien unserer Kundgebung.
Obwohl ich den Rucksack schließlich bei dem Infostand ließ,
durfte ich das Schulgelände immer noch nicht betreten. Einer bestand darauf, dass ich meinen
Rucksack wieder holen solle, ein Anderer wollte eine Leibesvisitation durchführen.
Der FT rechtfertigt die Drohung in dem Verweis „Äußerungen [m]einer extremistischen politischen Meinung zu unterlassen“ damit, dass „politische Werbung […] an Schulen verboten“ sei.
Freie Meinungsäußerung ist allerdings nicht mit politischer Werbung gleich zusetzen.
Im Gegenteil ist sie durch § 56 (3) BayEUG und Art. 5 GG ausdrücklich geschützt.
Desweiteren äußert sich Herr Mattausch gegenüber dem Fränkischen Tag: „Ich tue alles dafür, dass die Linksjugend demonstrieren kann.“
Dies klingt wie Hohn angesichts der Tatsache, dass Herr Mattausch einige Tage vor dem Berufswahlseminar wie auch schon vergangenes Jahr durch einige Klassen ging, um die Klassen davor zu warnen sich mit „diesen Linken“ zu unterhalten und man am Besten einfach, ohne mit diesen zu reden, vorbeigeht.
Im übrigen forderten am halb verschlossenen Schultor seine drei Hausmeister Schüler auf, Flugblätter von der Kundgebung, in einer extra dafür abgestellten Mülltonne zu entsorgen.
Weiter heißt es, ich hätte mich bei der Schule entschuldigt, was ich schlichtweg nicht getan habe. Im Gegenteil wäre eine Entschuldigung bei mir mehr als angebracht.
Der Vorwurf, ich hätte mich nicht an Herr Mattausch oder Herr Lindtner gewendet, ist mehr als lächerlich. Es gab im Vorfeld, ein Dutzend Gespräche mit Direktoren, Lehrern und sogar den Hausmeistern.
Ich finde es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass mittlerweile niemand mehr im Direktorat für das Ausstellen des Dokumentes verantwortlich sein will, die falsche Person unterschrieben hat, Herr Mattausch den Verweis nicht mal gelesen haben will und Herr Lindtner sogar im privaten Gespräch meinte, er hätte diesen Verweis niemals in dieser Form geschrieben, da einige Formulierungen untragbar seien.
Im folgenden möchte ich zur Stellungnahme der Wirtschaftsschule ebenfalls Stellung beziehen
[Anmerkung: Spätestens jetzt empfiehlt es sich, den Wortlaut des Verweises genau zu lesen].
In der Stellungnahme heißt es, der verschärfte Verweis sei zum einen für das Verlassen des Schulgeländes erteilt worden. Ob das stimmt, kann uns nur das Grundbuchamt sagen, ich weiß es nicht. Doch ich wage stark zu bezweifeln, das der Weg zwischen Schulgebäude, Schulturnhalle und Schulparkplatz nicht zum Schulgelände gehören soll. Dieser Logik folgend, müssten alle Schüler die Sportunterricht haben, das Schulgelände unerlaubt verlassen, um zu unseren Turnhallen zu gelangen.
Hintergrund war, dass ich in der Pause zwischen den beiden Vorträgen mich mit einigen Freunden, die vor dem Schulgebäude demonstrierten, unterhielt.
Die Frage ist doch, wieso mich die Hausmeister nicht beim „Verlassen des Schulgeländes“ gehindert oder zumindest gewarnt hatten, jedoch aber beim „erneuten Betreten“.
Angesichts der Tatsache, dass der Vorwurf „Verlassen des Schulgeländes“ mit keinem Wort im Verweis erwähnt wird und auch in den Gesprächen davor und danach nie Thema war, sollte ersichtlich sein, dass dieser Vorwurf im Nachhinein seitens der Schule zu ihrer Rechtfertigung konstruiert wurde.
Im übrigen frage ich mich, wieso in der Pressemeldung der Stadt Bamberg davon gesprochen wird, dass ich die ganze Woche krank gemeldet war, obwohl dies mit keinem Wort im Verweis erwähnt wird. Es sei noch hinzugefügt, dass Schulen eigentlich den Krankheitsstand von keinem ihrer Schüler veröffentlichen oder weitergeben dürfen, da das gegen §4 des Datenschutzgesetzes verstößt.
Die Schulleitung müsste das eigentlich wissen. Gesundheitsdaten sind eigentlich sehr schützenswerte Daten und müssten dementsprechend diskret gehandhabt werden.
Es ist ebenso unbegreiflich, wie ein „respektloses Verhalten“ im Zusammenhang mit einer „politischen, zweifelhaft linksorientierten Gesinnung“ aussehen soll.
Die Schule sollte Beispiele vorlegen, die eine Respektlosigkeit belegen.
Eine letzte Frage liegt mir besonders am Herzen: Wieso wiederholt die Schule immer wieder, dass es in der Schule verboten sei „Aufkleber und ähnliche Zeichen zu tragen oder anzubringen, wenn der Schulfriede und die Erziehung zu Toleranz dadurch gefährdet werden“?
Nach meinem ausdrücklichen Angebot hat die Polizei an diesem Abend meinen Rucksack durchsucht und weder Infomaterialien noch Aufkleber gefunden. Abgesehen davon, dass ich weder Material bei mir getragen habe, es irgendwelche Indizien oder ähnliches dafür gibt oder ich überhaupt jemals wegen so etwas an der Schule aufgefallen bin, wird mir vorgeworfen „die Erziehung zu Toleranz“ zu gefährden – Dies ist bestenfalls noch als lächerlich zu bezeichnen.
All diese Darstellungen, die jetzt durch Schule und Pressestelle der Stadt Bamberg erfolgten, sind im Nachhinein als Rechtfertigungsversuche konstruiert, um sich aus einer nicht zu rechtfertigenden „pädagogischen“ Disziplinierungsmaßnahme herauszureden. Dass hierzu selbst erfundene Behauptungen herangezogen werden, ist umso bedauerlicher und Zeichen erzieherischer Ohnmacht.
Diese tragen weder zur Lösung des durch den Verweis entstandenen Konfliktes bei, noch zur Wiederherstellung eines „guten Rufes“ der Schule. Dieser kann letztlich nur durch Zurücknahme der ungerechtfertigten Disziplinierungsmaßnahme wieder hergestellt werden.
Hier noch einige Anmerkungen
Für Meinungsfreiheit, ohne Angst vor Repression! Für eine Zivilklausel, Schule ohne Bundeswehr! Für Demokratie und Meinungsvielfalt, statt Diktatur!